Die Überfahrt von Cherbourg nach Roscoff gestaltete sich ruhig und entspannt. Im Gegensatz zu den vorherigen Fahrten ging es dieses Mal tidenbedingt erst um 7:45 Uhr am 24.07.18 los. Der Englische Kanal zeigte sich nochmals von seiner freundlichsten Seite, so dass wir den Anblick der Kanalinseln Alderney und Guernsey und das tiefblaue Wasser unter uns genießen konnten.
Um 15:00 sichtete Marlon dann die ersten Delfine auf dieser Fahrt, denen noch viele folgen sollten.
Wir hatten uns extra vorgenommen, uns gegenseitig lediglich ruhig und gelassen zu informieren, wenn wir Delfine sehen, um sie nicht zu verschrecken. Doch weit gefehlt: Statt andächtiger Ruhe herrschte euphorische Hektik bei der gesamten Crew. Keiner von uns erinnerte sich im entsprechenden Augenblick an die getroffene Absprache. Es ist so faszinierend, diese hübschen Tiere direkt neben sich in freier Wildbahn zu sehen und ihnen dabei zuzuschauen, wie sie neugierig immer wieder aus dem Wasser schauen, kunstvolle Sprünge absolvieren und durch die Wellen surfen. Man kann sich daran einfach nicht sattsehen. Und mit etwas Glück hört man sie sogar kommunizieren. Unser begeistertes Gekreische hat sie glücklicherweise nicht verschreckt. Vielmehr stellten wir uns die Frage, wer hier wohl wen beobachtet.
Unser „5. Crewmitglied“, unser Autopilot P2 [pih tu], der uns von Anbeginn der Reise Schwierigkeiten bereitete, hielt zunächst ganze zwei Stunden durch und ließ sich dann zumindest bis 15:00 nach seinem jeweiligen Ausstieg jeweils wieder für längere Zeit starten.
Dann war jedoch Schluss und es war wieder Steuern per Hand angesagt, was den Oberarmen der Crew durchaus zu Gute kommt, der allgemeinen Stimmung an Bord dauerhaft jedoch nicht wirklich zuträglich sein dürfte. Eine gewisse Enttäuschung in dem Augenblick, als P2 wiederum ausfiel, können wir nicht leugnen, haben uns den Spaß jedoch nicht verderben lassen und auch die Fahrt in
und durch die Nacht sehr genossen.
Morgens haben wir um 7:00 Uhr den wirklich schönen Hafen in Roscoff erreicht. Der per VHF kontaktierte Hafenmeister sprang sofort in sein Schlauchboot, um uns in Empfang zu nehmen. Die Tage in Roscoff vergingen wie im Fluge. Roscoff liegt in der Bretagne und ist geprägt von seiner wunderschönen Altstadt.
Die Kommune stellt für diese Gegend sogar einen kostenlosen Bustransfer, den Rosko-Bus, zur Verfügung, so dass die Verproviantierung für die Biskaya-Überquerung wie auch die Erkundung der näheren Umgebung sehr entspannt verliefen.
Zu unserer Begeisterung und Erleichterung bei 3/4 der Crew bemühten sich die Franzosen hier ausgesprochen, auch Englisch zu sprechen und suchten häufig das Gespräch mit uns. Wir revanchierten uns für das Interesse, indem wir so gut es ging, Französisch sprachen. So wurden wir z.B. von 2 Franzosen angesprochen als wir gerade auf dem Weg in die Altstadt waren. Es stellte sich heraus, dass sie Teilnehmer der im Hafen eingelaufenen Regatta Finistère waren. Anstatt mit uns, nach einem kurzen Smalltalk, auf den Rosko-Bus zu warten, hielten sie kurzerhand das nächste Auto an. Der Fahrer erklärte sich bereit, die beiden Franzosen mit in die Stadt zu nehmen. Spontan erklärten sie uns sodann zu ihren neuen Freunden und forderten uns auf, ebenfalls einzusteigen. Dort angekommen endete die Gastfreundschaft jedoch nicht. Vielmehr lud uns Yann, einer der Beiden, ausdrücklich auf einen Drink in der Bar ty Pierre ein, wo sich ein großer Teil der Regattateilnehmer verabredet hatte.
Und schon waren wir mittendrin in dem ausgelassenen Treiben. Yech Mad, was so viel heißt wie Prost, war das Erste, was wir zu lernen hatten und wir lernten schnell ;). Nach einer ganzen Weile und unglaublich freundlichen Gesprächen eisten wir uns los mit dem Hinweis, dass wir den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten. Die Verabschiedung fiel sehr herzlich aus und endete mit einer Einladung der Franzosen zu ihnen nach Hause in der kommenden Woche. Was für eine Gastfreundschaft!
Empfehlenswert ist der nahegelegene Botanische Garten.
Wir haben uns auch ein wenig im „Pecher a pied“, „dem Angeln zu Fuß“ versucht, außer Algen und ein paar leeren Muschelschalen aber nichts gefunden, dafür aber um so mehr Spaß gehabt.
Glücklicherweise gibt es in Roscoff genügend gute Restaurants und unseren geliebten Omnia-Ofen an Bord, so dass wir auch ohne Anglerglück gut über die Runden kamen.
Der alte Hafen in der Altstadt liegt bei Ebbe übrigens komplett trocken und macht damit einen ziemlich bizarren Eindruck.
Ansonsten haben wir nahezu täglich fleißig Bordschool gemacht,
den Jungs den längst überfälligen Haarschnitt verpasst
und gemeinsam Pläne mit der SY Mamosa, unseren neuen norwegischen Segelfreunden für weitere Ziele geschmiedet.
Um das Autopilotenproblem endgültig zu lösen, engagierten wir einen Mechaniker. Dieser kam unverzüglich und kontrollierte das System. Er konnte leider (?!) keinen wirklichen Fehler finden und baute lediglich die „Bürsten“ der Hydraulikpumpe aus und wieder ein. Da der Autopilot den anschließenden Testlauf über 24 h am Steg jedoch beanstandungslos absolvierte, waren wir auch froh, dass der Mechaniker unsere Lage nicht ausgenutzt und an uns einfach ein komplett neues und kostenintensives System verhökert hat.
So brachen wir guter Dinge am 02.08.18 um 11.40 Uhr gemeinsam mit der SY Mamosa, zur Biskaya-Überquerung, unserer bis dahin größten Strecke auf dieser Reise, auf.
Für die dreitätige Überfahrt prognostizierte Meeno Schrader uns, der nicht nur den Seglern weithin bekannte Metereologe, 3 Windstärken aus Nord bis Nord-Ost. Und genau so kam es auch. Das waren ideale Bedingungen für die Überquerung der und weit besser als der Ruf der Biskaya unter Seglern manchmal vermuten lässt.
Zeitweise hatten wir sogar so wenig Wind, dass wir einen Teil der Strecke den Jockel anwerfen mussten. Danach stieg der Wind dann wieder auf angenehme 4-5 Bft an, was zu einer entspannten und recht zügigen Überfahrt führte. Einzig und allein die recht hohen Atlantikwellen waren am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig. So verschwand die SY Mamosa, mit der wir zusammen losgefahren sind, immer mal wieder hinter einem Wellenberg, …
… was natürlich gleichermaßen für die SY Gepetho galt:
Wir freuten uns, dass wir auch dieses Mal über lange Strecken von Delfinen begleitet wurden.
Zum Sonnenuntergang erblickten wir dann in ca. 200 m Entfernung eine Schule aus ca. 50-60 Delfinen, die neben uns vorbeizog. Was für ein Anblick! Wir waren so geflasht, dass wir nur staunend dasaßen und den Augenblick genossen. An ein Foto war nicht zu denken.
Dafür gibt es aber zahlreiche andere Sonnenuntergangsbilder, denn irgendeiner von uns sagte immer:” DAS ist jetzt so schön. Das MUSST du unbedingt fotografieren!”
Wir lieben die langen Schläge, bei denen man viele Seemeilen macht. Das Gefühl, mitten in der Natur auf dem Meer zu sein und kein Land weit und breit in Sicht zu haben, ist unbeschreiblich schön. Das Meer sieht immer anders aus und so sehr wir uns auch anstrengen: es will einfach nicht langweilig werden. Auch die Jungs sitzen stundenlang da und bestaunen das Meer und genießen einfach den Augenblick. Sie lesen und zeichnen und wir alle kommen zur Ruhe. Niemand von uns hat das Bedürfnis, ständig auf das Handy zu gucken, um zu checken, ob Nachrichten gekommen sind – eine völlig neue Erfahrung! Während der Stunden auf See verarbeiten wir gedanklich all die neuen Eindrücke und zahlreichen Erlebnisse der vergangenen Tage und versuchen, unser Glück hinsichtlich dieser Reise zu fassen. Wir haben uns lange nicht so gesund und lebendig gefühlt wie im Moment. Es ist wahrhaftig ein Geschenk.
Die Fahrten durch die Nacht haben einen ganz besonderen Reiz. Manchmal ist es stockduster, der Mond ist kaum zu sehen und man sieht sprichwörtlich die Hand vor Augen nicht.
Nein, dies ist kein Ultraschallbild – unsere Crew vergrößert sich nicht. Das ist lediglich der Mond und in manchen Nächten das Einzige, was weit und breit über Stunden zu sehen ist.
Und dann sind da die Nächte, in denen der ganze Himmel wolkenlos ist und all die Sterne um die Wette funkeln und man gar nicht weiß, wo man zuerst und wo man zuletzt hinsehen soll. Dann beobachten wir fasziniert die Sternschnuppen, den Mond und die Milchstraße und genießen das Gefühl des Augenblicks in andächtiger Ehrfurcht. Leider ist es uns bis dato nicht gelungen, diesen wunderbaren Sternenhimmel zu fotografieren, um unsere Beschreibung nachvollziehbarer zu machen. Die ständige Bewegung des Boots macht derartige Fotos – zumindest für uns 😉 – unmöglich.
Einer der vielen besonderen Augenblicke war, als wir in der Ferne einen Wal entdeckten. Dieses Mal ist es Marlon tatsächlich gelungen, im richtigen Augenblick den Auslöser zu drücken. Am 05.08.18 erreichten wir dann nach einer wirklich entspannten Überfahrt in den frühen Morgenstunden glücklich und zufrieden Gijon in Spanien. Die Biskaya hat es wirklich gut mit uns gemeint. So darf es gerne weitergehen.