…Frankreich, Frankreich…

Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass wir auf unserer Reise auch mal Phasen der Ruhe und Langeweile haben würden. Dieses ist jedoch bis dato ganz und gar nicht der Fall und auch gleichzeitig der Grund dafür, dass wir mit unserem Reiseblog ein wenig ins Hintertreffen geraten sind. Neben der Vorbereitung des nächsten Schlages, kleineren Reparaturen, Versorgung mit Lebensmitteln (ohne Auto!), dem allgemeinen Bootsputz und der Erkundung der näheren Umgebung im jeweiligen Hafen bleibt erstaunlich wenig Zeit, die diversen Eindrücke zu verarbeiten, geschweige denn, zu Papier zu bringen.

Nachdem wir am 08.07.18 gegen 23:00 Nieuwpoort, einem aus dem 16. Jahrhundert stammenden in Westflandern an der belgischen Küste gelegenen Fischerort, erreichten, setzte bei uns so langsam das Gefühl ein, dass wir nun tatsächlich die uns bekannten Gefilde verlassen. Nieuwpoort ist bereits erheblich von den Gezeiten des Ärmelkanals geprägt.

Neben flämisch wird viel französisch gesprochen und in jedem Restaurant gibt es Moules frites in unterschiedlichsten Variationen. Dieses Flair hat uns schon richtig gut gefallen und geschmeckt: wir genossen Moules frites im Restaurant wie auch den frischen und zahlreich angebotene Fisch, der unsere Bordküche bereicherte.

Bis auf die notwendige Sanitärreparatur an Bord, wir berichteten bereits ausgiebig darüber, war es ein wirklich gelungener Aufenthalt, der Lust weckte, weitere Häfen und Orte zu erkunden.

Am 12.07.18 haben wir morgens um 05:50 Uhr mit dem ablaufenden Wasser bei leichtem Nordwind unter vollen Segeln den Hafen in Nieuwpoort in Richtung Frankreich verlassen und wurden zu unserer Freude von einem Seehund in der Hafenzufahrt verabschiedet.
Um 7:20 Uhr war es dann soweit: die belgische Gastlandflagge wurde durch die französische ersetzt.

Bedingt durch das ablaufende Wasser und 3 bft Wind erreichten wir in der Spitze sogar 9,4 kn beim Absurfen der Wellen und genossen damit eine schnelle Überfahrt nach Bologne-sur-Mer.

In der vergleichsweise kleinen Marina wurden die Gezeitenunterschiede von ca. 9 m besonders deutlich, wenn man bei Ebbe die steile Brücke heraufkraxeln musste. Hierfür empfiehlt es sich, die sonst gerne getragenen Flip Flops gegen Turnschuhe zu tauschen.

Geprägt wird die Stadt durch die auf einem Hügel gelegene historische Altstadt, in deren Mitte die Basilika Notre Dame de Boulogne-sur-Mer mit ihrer imposanten Erscheinung beeindruckt, umgeben von in engen Gassen gelegenen Restaurants, Brasserien und Cafés.

Bei dieser Gelegenheit haben wir auch die Krypta der Basilika Notre-Dame besichtigt. Sie besteht aus einem Labyrinth von unterirdischen Kammern mit über 1400 m². Dort zu besichtigen sind neben diversen antiken Überresten von Steinwerken und Putten ein Schatz sakraler Kunst mit beeindruckender Goldschmiedekunst sowie150 Wandgemälde, erschaffen zwischen 1844 und 1863, die der Geschichte des Christentums gewidmet sind.

Im Unterschied zu unserem bisherigen Segelrevier treffen wir hier nun auf immer weniger Schiffe unter deutscher Flagge, dafür aber auf immer mehr Schiffe, die augenscheinlich für die Langfahrt ausgerüstet sind. Überall blicken wir auf Windgeneratoren, Solaranlagen, Windsteueranlagen und Julius hat uns hier auf ein Boot unter norwegischer Flagge aufmerksam gemacht, welches er bereits in Nieuwpoort gesehen hatte.

Mit deutscher Sprache können wir hier, außer an Bord, bereits nicht mehr viel anfangen und auch mit englisch kommt man hier nicht wirklich weiter, da die Franzosen deutlich frankophon geprägt sind, sprich schlussendlich erwarten, dass der Gast in ihrem Land auch französisch spricht. Das gilt sowohl für Restaurants als auch für die per Funk vorab (auf französisch!) einzuholende Erlaubnis, in den Hafen einlaufen zu dürfen. Wer hier, wie das sich an der Hafeneinfahrt in Dieppe unmittelbar hinter uns befindliche Segelboot, auch noch so höflich, aber eben in falscher Sprache, also nicht auf französisch, um die entsprechende Erlaubnis bittet, darf gerne auch einmal 1-2 Stunden warten. Wir hatten Glück und der Hafenmeister hat unserer zuvor mühsam zusammengesammeltes Gestammel halbwegs wohlwollend mit einer Einladung in den Hafen belohnt. Wenn man 25 Jahre aus der Schule raus ist und in all dieser Zeit nicht mehr französisch gesprochen hat, ist dies zunächst etwas diffizil. Dass nun doch schon das eine oder andere Jahr seit dem Schulabschluss ins Land gezogen ist, zeigt einem dabei nicht nur der morgendliche Blick in den Spiegel sondern auch der Blick in das noch aus Schulzeiten stammende Wörterbuch: Dort findet man Begriffe wie Telefonzelle, Ferngespräch oder Schallplatte – von den üblichen für das Funken erforderlichen Ausdrücken natürlich keine Spur. Die schmunzelnden Gesichter unserer Jungs in Anbetracht der Begriffe Schallplatte und Telefonzelle geben uns unvermittelt das Gefühl, Fossile zu sein:” Schallplatte? Das war doch kurz nach der Zeit des Grammophons, oder?” Mit einem Seufzer und entsprechendem Schulterzucken versuchen wir, diesen Seitenhieb zu ignorieren…

Aber nach einigen Tagen klappte die Verständigung in Restaurants, beim Bäcker, mit dem Hafenmeister und bei sonstigen Gelegenheiten zu unserer Erleichterung und ständig steigenden Begeisterung dann doch recht gut.

In Boulogne-sur-Mer feierten wir sodann mit den Franzosen am 14.07.18 den Nationalfeiertag, zu deren Anlass alle Straßen herausgeputzt und mit französischen Flaggen versehen waren.

Am 15.07.18 haben wir uns morgens um 05:45 Uhr auf den Weg nach Dieppe gemacht. Auch dieses Mal präsentierte sich der Ärmelkanal wie ein Ententeich und ermöglichte uns damit die Sichtung eines ca. 7 m langen und schlafenden Wals querab wie auch die Sichtung eines ca. 100 m entfernten Schweinswals. Die Freude hierüber sowie die Aufregung waren leider so groß, dass keiner von uns rechtzeitig die Kamera schnappen konnte.

Die in der Normandie gelegene Stadt Dieppe, die wir bereits um 14:00 Uhr erreichten, wurde um das Jahr 900 circa 150 Jahre vor der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer von Normannen besiedelt. Der Name Dieppe resultiert wie das englische Wort deep für „tief“ aus dem Germanischen und dokumentiert die natürliche Tiefe der Hafeneinfahrt, welche trotz der erheblichen Gezeiten schon in frühester Zeit die Zufahrt zur Stadt auch bei Ebbe ermöglichte.

Die uns bis dato unbekannte Stadt präsentierte sich als absolute Perle. Der Hafen befindet sich inmitten der traumhaft schönen Altstadt und in unmittelbarer Umgebung zum Strand.


Auch hier laden diverse Restaurants zu Moules frites und anderen Köstlichkeiten des Meeres ein. Um die in den zahlreichen Becken mehr oder weniger auf ihren Verzehr wartenden Hummer und Krebse haben wir bis dato einen Bogen gemacht und uns stattdessen weiteren Moules frites, dieses Mal mit Roquefortsauce gewidmet: paradiesisch!
In Dieppe begleiteten wir die Franzosen dann bei ausgelassener Stimmung und reichlich Fangesang zum Weltmeistertitel, dem champion du monde. Julius stellte zufrieden fest, dass wir mangels Wohnsitz in Deutschland und aufgrund des derzeitigen Aufenthalts in Frankreich auch irgendwie mit Weltmeister geworden sind.

Neben uns im Hafen in Dieppe legte dann auch das norwegische Segelschiff an, welches Julius bereits in Nieuwpoort und Boulogne-sur-Mer aufgefallen war: die SY Mamosa. Es stellte sich heraus, dass die SY Mamosa wenige Wochen zuvor in Norwegen zu ihrer dreijährigen Weltumsegelung aufgebrochen war und wir somit in der nächsten Zeit bis zum Erreichen der Karibik den gleichen Weg vor uns haben. Es bot sich daher an, dieses bei einem Glas Rotwein näher zu erörtern und die vielen Gemeinsamkeiten mit der Crew der SY Mamosa lassen vermuten, dass es nicht nur bei einem einzigen gemeinsamen Abend bleiben sollte.

Wir machten uns am 18.07.18, tidenbedingt dieses Mal in der Mittagszeit, auf zum nächsten Hafen.

Bei schönstem Wetter, aber leider mal wieder recht wenig Wind, genossen wir die Freiheit auf See und dann auch die Fahrt durch die Nacht.

Das einzige, was unsere Freude ein wenig trübte, war der Umstand, dass unser Autopilot nach wie vor nicht funktionierte. Seit der Abfahrt in der Ostsee stieg der Autopilot mit einer Fehlermeldung regelmäßig aus, so dass die langen Strecken grundsätzlich per Hand gesteuert werden mussten. Sascha ging zunächst davon aus, dass dieses durch eine einfache Neuinstallation oder der Änderung des zuvor durchgeführten Software-Updates zu bereinigen wäre, da das System immer wieder den Fehler „keine Ruderdaten“ dokumentierte. Nachdem der Autopilot und der Ruderlagengeber jedoch 100-fach neu installiert, aus- und wieder eingebaut und kalibriert wurden und der Fehler immenroch auftrat, sind wir davon ausgegangen, dass der Geber oder der erst vor 2 Jahren neu installierte Autopilot-Computer einen Defekt haben musste.

Da dieser auf unserer weiteren Reise wichtig war, entschieden wir, einen neuen Autopiloten und Geber zu bestellen. Hier traf sich der glückliche Umstand, dass uns unsere langjährigen lieben Freunde Michaela und Thomas spontan in Cherbourg besuchen wollten und anboten, die Geräte bei dieser Gelegenheit gleich mitzubringen.

Die Wartezeit auf unsere Freunde vertrieben wir uns mit dem auch an Bord nicht ganz zu vermeidenden “großem Bootsputz”, umfangreicher Wäsche und gingen, um die Vorräte wieder aufzufüllen, zum ca. 2 km entfernten Hyper(!)market und verproviantierten uns.

Mit vollgefülltem Einkaufswagen marschierten wir zurück zum Hafen bis direkt auf den Steg. Das ist ein Genuss, in den man üblicherweise nicht kommt; vielmehr ist sonst mühsames Schleppen der Einkäufe angesagt.

Wir genossen die gemeinsame Zeit mit unseren Freunden in Cherbourg, die netten Gesprächen und wiederum Moules frites sowie nette Ausflüge in die Stadt und die Umgebung sehr.

Cherbourg ist schon deutlich südlich geprägt und verschafft mit diversen Palmen und der üppigen Bepflanzung diverser Grünanlagen und Parks bestes Urlaubsfeeling.

Nur das Thema Autopilot sollte sich nicht so einfach lösen lassen! Erst wurde der Geber getauscht, dann getestet: der Fehler bestand weiterhin. Dann wurde auch der Computer des Autopiloten getauscht: Doch zur großen Überraschung und noch viel größeren Enttäuschung bestand der Fehler fort. Bei der Neuinstallation des alten Computers stieg die Anlage dann vollständig aus und Ratlosigkeit machte sich breit. Dann griff Sascha zu einer altbewährten Maßnahme und verpasste der Hydraulikpumpe der ca. 20 Jahre alten hydraulisch-mechanischen Steuerung einen beherzten Schlag mit dem Griff des Schraubendrehers (nicht zuletzt, um seinen Frust loszuwerden) und, oh Wunder, der Autopilot fing an, sich leicht zu bewegen. Er funktionierte tatsächlich eine ganze Weile wesentlich besser, stieg aber von Zeit zu Zeit wieder aus. Wiederholte Schläge mit dem Schraubendreher lösten das Problem vorübergehend. Wir vermuteten Luft in der Hydraulikpumpe und füllten noch ein wenig Hydrauliköl nach. Am Ende sollte sich aber herausstellen, dass der Autopilot nach dieser Maßnahme zwar schon um einiges länger arbeitete, aber noch immer ohne für uns nachvollziehbaren Grund, irgendwann seine Tätigkeit einstellte.

Den nächsten Schlag nach Roscoff über nach Nacht durften / mussten wir, nach einer herzlichen Verabschiedung von der Crew der SY Mamosa und der Erwartung, sich alsbald wiederzusehen, daher wieder im Wesentlichen von Hand steuern, was für eine oder einige wenige Nächte für eine Familiencrew ok, für die Atlantiküberquerung jedoch keine Option für uns ist.

In Roscoff und dem damit eventuell letzten Hafen vor der ca. 3-4 Tage langen Biskaya-Überquerung sollte daher eine Lösung gefunden werden…