Wir sitzen beim Schreiben dieses Artikels am 06.07.18 bei wunderschönem Sonnenschein in IJmuiden nach 2 Tag- und Nachtfahrten in Holland gemütlich im Hafen. Sascha und Marlon haben am Vormittag den Motor mit Ölwechsel, Filterwechsel, etc. gepflegt und Bianca und Juli haben Brot und Kuchen gebacken. Wir sind erst eine Woche unterwegs, doch bis hierhin ist schon viel passiert:
Die letzte Woche vor der Abfahrt ging so schnell wie ein Wimpernschlag vorüber und dann war er da, der letzte Tag unseres Countdowns und kam damit für uns in etwa so überraschend wie jedes Jahr der Heilige Abend. Das Auto hatten wir die Woche zuvor bereits abgegeben, das Büro an unsere Kollegin übergeben, das Haus vermietet und unseren Wohnsitz in Deutschland abgemeldet. Seither steht auf unseren Personalausweisen „kein Wohnsitz in Deutschland“. Und es standen noch weitere Formalitäten an: Die Jungs haben am letzten Schultag ihre Zeugnisse bekommen und wurden zeitgleich auch von der Schule abgemeldet.
Neben all diesen To Dos beschäftigte uns an diesem 27.06.18 natürlich auch die emotionale Seite unserer unmittelbar bevorstehenden Reise und zudem war es auch Julius‘ 11. Geburtstag.
Der Tag war geprägt von einem großen Gefühlsdurcheinander: da mischte sich Julis Geburtstagsfreude mit dem Organisationsstress der letzten Wochen sowie mit den vielen kleinen und großen „letzten Malen“ (in die Schule, ins Büro, Verstauen des Spielzeugs im Keller, Abschied von der Waschmaschine und Spülmaschine 😉 und vielem anderen mehr). Daneben gab es einerseits die vielen vorläufigen Abschiede von der Familie und liebgewonnenen Freunden und andererseits die Vorfreude auf die kommende Zeit, was für ein Overload!
Wir hatten nicht damit gerechnet, dass so viele Leute sich mit uns freuen und uns mit Rat und Tat und auch in Gedanken zur Seite stehen würden. Bereits vor der Abreise haben wir schon ganz viele tolle Karten, Whats-App-Nachrichten und Zuspruch über Facebook wie auch persönlich erhalten. Eine der Whats-App-Nachrichten enthielt sogar das Morgengezwitscher unseres Dorfes, kombiniert mit der auf der Orgel gespielten Morgenstimmung von Edvard Grieg. Wir freuen uns, dass gerade auch unsere Eltern und unsere Familie trotz des anstehenden Verzichts auf uns so hinter uns stehen und freuen uns auf ein Wiedersehen auf den Kanaren und gerne auch anderswo auf der Welt.
Am 27.06. haben wir dann mit Familie, Freunden und Bekannten noch ein tolles Fest anlässlich unserer Abreise und Julius’ 11. Geburtstag gefeiert. Es gab ein tolles Mitbring-Buffet und unsere lieben Freunde haben sich sogar darum gekümmert, dass es die entsprechende Technik mit Partymusik gab und wir uns um nichts kümmern mussten. Der ganze Tag war voller Highlights. Bianca hat von ihren Eltern aus dem „Familien-Altgold“ einen wunderschönen Kettenanhänger in Form eines Oktopus bekommen, der von der Goldschmiedin Birte Domin aus Velpke gearbeitet wurde: herrliche Goldschmiedekunst vom Feinsten.
Und der Kirchenvorstand hat uns mit einer wunderschönen Geste bedacht: Zum Schutz für uns und stellvertretend für alle Reisenden wurde eine tolle Kerze gefertigt, die in der Kirche verbleibt und zu besonderen Gottesdiensten angezündet wird.
Und dann haben wir noch ein weiteres Geschenk der besonderen Art erhalten: den Sextanten unserer lieben Freunde Ines und Paco, der auf diversen Weltmeeren schon unzählige Seemeilen gesammelt hat.
Last but not least haben wir eine ganze Reisetasche voller liebevoller Briefe, Karten, Glücksbringer und Segenswünsche wie auch ein Buch erhalten, in dem viele Freunde und Familienmitglieder uns noch herzliche Worte mit auf den Weg gegeben haben. Diese schönen Sachen können wir uns unterwegs immer wieder ansehen und uns daran erfreuen. Alleine für all diese wertvollen Wünsche und Karten lohnt es sich schon, diese Reise anzutreten ;). Vielen Dank an all die lieben Leute, die uns so herzlich bedacht haben.
Zu unserer Abreise wurden wir dann noch im Bahnhof in Wolfsburg überraschend von Mitarbeitern und Freunden und Eltern verabschiedet und starteten somit wie geplant unsere Familienzeit.
Die Deutsche Bahn hatte sich nicht lumpen lassen und bot einen Kundenservice der besonderen Art: da wir ja die Wärme lieben, überraschte uns das Transportunternehmen sogleich mit einem Ausfall der Klimaanlage, somit 34-36 Grad Innentemperatur, und sorgte damit für entsprechendes Karibik-Feeling; von der Schlägerei im Nachbarwaggon mal abgesehen. Und damit wir die Fahrt auch ausgiebig genießen können, beschwerte uns die Deutsche Bahn überdies noch eine Zugverspätung von 45 min, womit wir dann auch gleich den ersten Anschlusszug verpassten. Macht doch nichts- wir haben doch Zeit. Zeit! Was für ein ungewohntes Gefühl, das sich da einstellte.
Voller verschiedenster Emotionen, vor allem aber geschafft, kamen wir nachts in Großenbrode auf der Gepetho, unserem neuen Zuhause, an.
Und dann ging es am 30.06. von Großenbrode los nach Laboe. Dort haben wir unseren langjährigen (Segel-)Freunden, Michaela und Thomas noch einen Abschiedsbesuch abgestattet, die hier seit diesem Jahr ihren Liegeplatz haben.
Und Sonntagfrüh ging es dann zum Nord-Ostsee-Kanal. Aufgrund der angespannten Schleusensituation mussten wir geschlagene 3 Stunden vor der Schleuse Holtenau warten bis es dann endlich losging. Im Vergleich zu Binnen-Kanalfahrten mit zum Teil recht großen Höhenunterschieden ist das Schleusen im NOK recht simpel, abgesehen von der doch recht übermächtigen Berufsschifffahrt, welche mit den Sportbooten gemeinsam geschleust wird. An den kurzen und unspektakulären Schleusenvorgang schloss sich dann eine zunächst recht abwechslungsreiche, dann aber zunehmend doch eintönige Kanalfahrt unter Motor an. Die Zeit saß uns im Nacken, da wir eigentlich bis Cuxhaven durchziehen wollten und dieses auf der Elbe als Sportboot nur bei ablaufendem Wasser möglich ist. Hätten wir vor der Schleuse Brunsbüttel vor der Elbe wieder warten müssen, wäre das Erreichen von Cuxhaven an diesem Abend nicht mehr möglich gewesen. Ein kurzer Anruf über Funk beim Schleusenmeister gab dann die Erleichterung bringende Ansage: “Tor geht gleich auf!“ Wir konnten also ohne weitere Wartezeit vor der Schleuse gleich mit geschleust werden und erreichten damit ziemlich zügig die Elbe.
Ein traumhafter Sonnenuntergang begleitete uns mit dem letzten Tageslicht und dem letzten Schluck ablaufendem Wasser bis zum Hafen der Seglervereinigung Cuxhaven. In Cuxhaven ist gemäß Schiffsregister der eigentliche Heimathafen der Gepetho und zudem der Sitz des Trans-Ocean e.V., dem wir angehören. Von unserem Liegeplatz aus genossen wir den Blick auf den Leuchturm „Alte Liebe“ sowie auf einen Seehund, der sich mehrfach im Hafenbecken in der Nähe der Gepetho zeigte.
Nach einem Tag Pause und dem Besuch von Gabi und Hans (Tante und Onkel von Sascha), welche noch einige Habseligkeiten von unserer Abschiedsfeier mit dem Auto mitgenommen hatten, sowie dem Besuch von einem Vereinskollegen vom Trans Ocean e.V. ging es dann auf zum ersten großen Seeschlag, hierher, nach IJmuiden (Holland)…