Verrückt – wir sind tatsächlich in der Karibik

In Vorbereitung auf unsere Auszeit und insbesondere auch auf die lange Passage über den Atlantik haben wir jahrelang so viel gelesen und all die Berichte der anderen mit so viel Interesse verfolgt. Dabei variierten die Erfahrungen und Empfindungen in einer Bandbreite von „nie wieder“ über „stinkend langweilig“ bis hin zu „traumhaft schön“. Viele Berichte waren überdies überraschend kurz gehalten. Wir hatten also allen Grund, gespannt zu sein, was uns erwarten würde.

Wir hatten an die Überquerung eigentlich gar keine großen Erwartungen. Es kam uns auch nie wirklich auf die Atlantiküberquerung selbst an. Vielmehr wollten wir auf eigenem Kiel neben Europa auch die Karibik bereisen und da war die Überquerung eher notwendige Begleiterscheinung. Wir wünschten uns lediglich, dass wir auf der anderen Seite gut ankommen, ohne großartig Bruch am Schiff zu erleiden und hofften als kleine Crew darauf, dass unser Autopilot P2 seinen Job brav erledigen würde, um uns als „dritter Mann“ zu unterstützen. Insoweit hofften wir natürlich auch darauf, dass unser Energiesystem ausreichend dimensioniert sein würde, um den Betrieb von P2 wie auch des Kühlfaches sowie der Navigationselektronik zu gewährleisten.

Tatsächlich empfanden wir bis zum Tag der Abfahrt am 25.11.18 null Anspannung. Wir fühlten uns gut vorbereitet und auch der Safety-Check der ARC hat uns nur wenige zusätzliche Aufgaben beschert.
Zum einen erwies sich beim kurzen Test unsere Notsteuerung als nicht ernsthaft praktikabel bei meterhohen Wellen, so dass Sascha an dieser Stelle noch ein wenig nachbessern musste.

Zum anderen fehlte uns ein über den Bordstrom aufladbarer und gleichzeitig in Betrieb befindlicher Scheinwerfer außenbords. Da hat man einen hundsteuren LED-Scheinwerfer an Bord, der 5 Tage am Stück ohne Unterbrechung betrieben werden kann und muss beim finalen Safety-Check feststellen, dass er nicht gleichzeitig lädt und leuchtet. Also schnell noch zum ortsansässigen Yachthändler, der sich, mal so nebenbei erwähnt, in der Zeit der ARC wirklich eine goldene Nase verdient. Alles in allem brachten beide Aufgaben inklusive Beschaffung der Materialien nur einen zusätzlichen Tag Arbeit mit sich.
Ansonsten haben wir die kurze Zeit in las Palmas dazu genutzt, die Seminare der ARC zu den Themen „Verproviantierung“, „Wetter auf dem Atlantik“, „Medizin auf See“ sowie „Downwind Sailing“ zu besuchen, die wir trotz aller bereits vorher eingeholten Informationen als sehr hilfreich empfanden. In dem Vortrag „Provisioning” wurde eindringlich darauf hingewiesen, sich vorab hinsichtlich aller Entscheidungen auch die „if this is not working“-Fragen zu stellen, was wir auch tatsächlich beherzigt haben. Wir haben bereits im Vorfeld 16 kg Mehl gekauft, um Brot zu backen und diverse Lebensmittel zum Kochen. Was aber würde sein, wenn wir zu seekrank würden, um unter Deck zu gehen? Oder der Ofen ausfällt? Also entschieden wir kurzerhand, zusätzlich zu den restlichen eingeplanten Lebensmitteln noch 25 Pakete Schwarzbrot, 40 Tütensuppen und weitere 40 Tüten Asia-Nudelsnacks zu kaufen, und verstauten diese im hinterletzten Schapp, in der Erwartung, diese nie im Leben anzutasten.

Da uns in dem Vortrag „Medizin auf See“ dringend ans Herz gelegt wurde, beim Kochen IMMER eine wasserfeste Schürze sowie festes Schuhwerk zu tragen, um großflächige Verbrennungen durch überschwappendes kochendes Wasser zu vermeiden- die von den möglichen Verbrennungen gezeigten Fotos waren mehr als beeindruckend-, musste auch diese noch beschafft werden. Den Weg zur Beschaffung dieser verband Bianca mit dem Besuch des lokalen Marktes, um dort Obst, Gemüse und Eier zu bestellen und ein wenig vakuumierten Schinken (musste somit nicht ins Kühlfach!) zu kaufen.

Während einige Crews hier wirklich Massen gekauft haben, einige haben z.B. ganze Bananenstauden erstanden und für mehrere Hundert Euro Fleisch und kistenweise (!) Obst und Gemüse gekauft, haben wir es hier locker angehen lassen. Wir haben kein Gefrierfach und auf Fleisch legen wir nicht so viel Wert, so dass wir unsere Kühlkapazitäten lieber für Käse nutzten – von denen wir übrigens noch die kommenden Wochen zehren können. Wir schätzen, dass 40 % des von den Crews auf dem Markt erworbenen Obst und Gemüse in den Weiten des Atlantiks entsorgt werden mussten.
Aus dem Vortrag „Downwind Sailing“ nahmen wir für uns insbesondere den Tipp mit, die Ausbaumer mit zwei Niederholern nach vorn und achtern und dem Toppnanten unabhängig von der Schot zu fixieren und die Schot nur laufend durch die Baumnock der Ausbaumer flexibel zu fahren. Damit konnte das Passatsegel jederzeit bei stehenden Bäumen gerefft oder eingerollt werden, ohne dass man an den Bäumen etwas justieren musste. Perfekt für unsere kleine Crew! Nach einem kurzen Probeaufbau im Hafen von Gran Canaria waren wir von der Funktionalität schon recht angetan. Das System hat sich dann bei der Atlantiküberquerung als absolut funktionstüchtig und vorteilhaft erwiesen. Diesen Tipp geben wir an dieser Stelle gerne weiter.

In dem Hafen von Las Palmas war natürlich auch ein Angelladen, an dem auch wir –selbstredend- nicht vorbeigehen konnten, ohne uns wenigstens mal umzuschauen. Na gut, eine neue Angel, Schnur, weitere Köder, etc. haben auf diese Weise auch den Weg zu uns an Bord gefunden, was sich noch als lohnenswerte Investition herausstellen sollte…
Nebenher haben wir – wie so viele andere auch *rolleyes*-noch die Gelegenheit genutzt, im Hafen von Las Palmas den Waschsalon zu nutzen. Beim Waschgang löste sich dann noch die Folie unseres schönen Crew-Shirts, was zur Reparatur noch die Benutzung eines Bügeleisen erforderlich werden ließ, welches wir n a t ü r l i c h n i c h t an Bord haben. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und so wurde kurzerhand unsere Bratpfanne erhitzt und umfunktioniert.

So gingen die Tage dahin, ohne dass uns trotz all der guten Vorbereitungen im Vorfeld die Langeweile plagte.
Als Belohnung für die verrichteten Arbeiten am Tage bot uns der Veranstalter der ARC abends jeweils get-together bei Sundowner

oder auch Partys, bei denen wir schon tolle karibische Einblicke erhielten.

Es war toll, am Pontoon S, dem Family-Pontoon, zu liegen. So waren die Jungs über den Kids-Club der ARC hinaus den ganzen Tag mit den anderen Kids unterwegs und haben sich prächtig amüsiert.

Tja, und ruckzuck war der 25.11. dann auch schon gekommen. Die Aufregung im Hafen war allgegenwärtig.

Wie alle anderen so entfernten auch wir nun die feierliche Beflaggung. Das Flaggen-ABC bekamen wir übrigens von unseren lieben Freunden Thomas und Michaela gestellt, die ebenfalls über den Atlantik segelten. Herzlichen Dank an dieser Stelle dafür. Es war uns eine Ehre, die Flaggen der SY Sigma in Las Palmas zu hissen. Und somit war die Gepetho mit der Startnummer 131 startklar.

Und es folgte der X-te Rigg-check; 8 Augen sehen mehr, als nur 2! Und so begab sich auch Julius noch einmal in die Höhe von 18,50 m.

Die Windfahnensteuerung als Alternative zum Autopiloten wurde auch noch einmal eingestellt, wenngleich Sascha von der Funktionstüchtigkeit und Sinnhaftigkeit dieser Konstruktion nicht restlos überzeugt war.

Bianca hat noch einen letzten „Panik-Einkauf“ im hiesigen Supermarkt getätigt, um auch noch die-nach akribisch durchgeführtem Lebensmittel-Tetris freigewordenen 20 Quadratzentimeter- mit Käse zu füllen und um ein paar Ü-Eier für den Adventskalender zu organisieren. Der Laden war knüppeldicke voll und somit befand sich Bianca in allerbester Gesellschaft. Das Hamstern von Lebensmitteln vor einer solchen Atlantiküberquerung dürfte wohl ein übliches Phänomen sein, so dass es nicht wundert, dass man wohl noch nie davon gehört hat, dass eine Crew verhungert sei….

Und dann packte auch uns die Aufregung. Bianca stellte sich in Anbetracht der bevorstehenden vielen Tage auf See (wir erwarteten, 21-23 Tage zu benötigen), ernsthaft die Frage, was ihr denn ferne liege: am kommenden Morgen ins Büro zu gehen oder aber dort draußen auf den Atlantik zu fahren, angeschoben von 3-4 m hohen Wellen ohne die Möglichkeit, umkehren zu können. Die Antwort kam prompt und fiel, sonst könnten wir nicht von St. Lucia aus berichten, zugunsten des Atlantiks aus ;).

Die Boote der Rennklassen starteten als erstes, gefolgt von den Katamaranen. Der Start der Übrigen wurde auf 13:00 festgelegt. Gespannt beobachteten wir, wie die ersten Schiffe an uns Richtung Hafenausfahrt, begleitet von Musik und Applaus sowie Schiffshupen, vorbeizogen und über Lautsprecher auf den offenen Atlantik verabschiedet wurden mit z.B. „NICA! Goodbye, my friend!“

Wir warteten noch etwas, um eine gute Möglichkeit zu finden, in dem Gedränge von mehr als 200 Booten, welche mehr oder minder gleichzeitig nicht ganz unaufgeregt den Hafen von Gran Canaria in Richtung Atlantik verlassen, abzulegen. Juli startete den Motor

und Marlon steuerte die Gepetho souverän aus dem Hafen auf den Atlantik Richtung Startlinie. „Gepetho, my friend! Goodbye!“, tönte es in Begleitung von Musik aus dem Lautsprecher.

Jetzt schlugen auch unsere Herzen höher. Menschen links und rechts auf der Hafenmole und Musik verabschiedeten uns aus Gran Canaria. Gänsehautfeeling!

Draußen vor dem Hafen an der Startlinie hieß es noch einige Schläge auf- und abzusegeln, um die Zeit bis zum Startschuss zu überbrücken.

Dann schlug das Zeiteisen 13.00 Uhr, der Startschuss ertönte

und mehr als 200 Boote strömten auf den offenen Atlantik Richtung Karibik. Erst an der Küste von Gran Canaria hinab, weiter Richtung Süden, um dem Windschatten der Insel zu entgehen und weiter Richtung Kapverden, um den ständ

gen Passatwindgürtel zu erreichen. Unser Passatsegel wurde gestellt und los ging sie, unsere große Überfahrt inmitten all der anderen Rally-Teilnehmer.
Nebenbei bemerkt empfiehlt es sich nach unserer Beobachtung nicht uneingeschränkt, in diesem Gedränge und all der Aufregung schon beim Start einen Spinnaker oder Gennaker zu setzen, denn wir sahen diverse Schiffe, bei denen sich der Spi um den Mast bzw. die Rollanlage gewickelt hatte und nur mit viel Mühe geborgen werden konnte.

Nachdem die Tage in Las Palmas doch etwas anstrengender waren als erwartet (die Auswirkungen der allabendlichen Partys hatten wir zunächst wirklich unterschätzt), waren wir froh, nun endlich wieder auf See zu sein. Wir hatten gerade einmal 3-4 bft und mäßigen Wellengang mit following seas, so dass wir gemütlich in unsere erste Nacht segelten

und damit auch wieder mit unseren Wachwechseln begannen.
Das lief im Wesentlichen so ab, dass wir am Tage flexibel ohne feste Einteilung Wache hielten, je nachdem, welche anderen Aufgaben an Bord zu erledigen waren. Ab 21:00 Uhr UTC versuchten Bianca und Julius dann, in den Schlaf zu finden. Ganz unabhängig von der ungewohnten Uhrzeit, schlafen zu gehen, mussten wir uns – trotz der vielen bereits gesegelten Seemeilen zuvor- wieder an die enorme Geräuschkulisse und die „Bocksprünge“ durch den seitlichen Schwell gewöhnen. Zum einem war da die von achtern anlaufende Windsee mit 2 bis 3 m Höhe, welche zum anderen zeitweise von altem seitlichem Schwell überlagert wurde, so dass eine durchaus imposante Kreuzsee bestand, welche die Gepetho bei ca. jeder 8. Welle einen ordentlichen Sidekick verpasste. P2, unser Autopilot, verrichtete jedoch einen guten Job und brachte die Gepetho dann jeweils relativ schnell wieder auf den richtigen Kurs. Diese Schiffsbewegungen machten es jedoch nicht so besonders einfach, eine entspannte Position in der Koje einzunehmen, welche es einem erlaubte, gemütlich einzuschlafen. Zwangsläufig führte dies dazu, dass wir entweder auf dem Bauch liegend alle Viere von uns gestreckt lagen oder aber wir verkeilten uns mit dem Kopf Richtung schmaler zulaufendem Fußende zwischen Kissen und Decken. An Einschlafen war erst zu denken, nachdem es uns gelang, die sonst ständig vorhandene Körperanspannung aufzugeben und den Körper damit einfach im Rhythmus der Wellen bewegen zu lassen. Um 00:00 Uhr wurde dann getauscht und Sascha und Marlon versuchten ihrerseits, in den Schlaf zu finden.
Saschas Logbucheintrag vom 27.11.18 fasst es präzise zusammen:
„Anstrengende Nachtwache. Einige freaky waves lassen kaum Schlaf in den Freiwachen zu. Dafür kommen wir gut voran.“
Die ersten drei Tage der Überfahrt haben wir damit ein ordentliches Schlafdefizit aufgebaut, dass es uns ab dem vierten Tag unproblematischer ermöglichte, zu jeder Tages- und Nachtzeit in jeder nur erdenklichen Lage in den Schlaf zu finden – auch kopfüber hängend am Mast wäre am vierten Tag vermutlich kein Problem gewesen.
Die permanent erforderliche Anspannung des gesamten Körpers hat sicherlich ihr Übriges dazu beigetragen. Jede Bewegung ist 5x anstrengender als an Land: man bewegt sich keinen Meter, ohne sich festzuhalten bzw. –wenn gerade einmal wieder der große Sidekick der 8. oder 9. Welle an der Reihe ist- ohne sich festzu k l a m m e r n . So viele Umarmungen wie auf dieser Überfahrt hat unser bis unten in den Salon durchgesteckter Mast sicherlich noch nie bekommen. Ansonsten haben wir uns bei jeder Fortbewegung an all den gut durchdacht angebrachten Haltegriffen unserer Gepetho festgeklammert. Essen kochen ist insoweit eine Herausforderung der besonderen Art. Klar kann man Zwiebeln schneiden, Kartoffeln schälen, Salat etc. zubereiten. Das Problem war nur, dass all diese Dinge bei den ständigen Schiffsbewegungen – 20-30 Grad nach backbord, 20-30 Grad nach Steuerbord und bei ca. jeder 8.-9. Welle der große Sidekick – nicht an Ort und Stelle blieben und sich abwechselnd oder vielleicht auch kumulativ der Schwerkraft und Fliehkraft hingaben.
Das Kochen mit unserem Petroleumofen – insbesondere unter diesen Umständen- ist dann ein weiteres Abenteuer: Der alte – man kann wohl schon fast sagen antike- Taylors Petroleumherd ist ein kleines Hobby von Sascha. Soweit eine tolle Technik: Ein Tank mit Petroleum wird unter Druck gesetzt und nach einer Vorheizprozedur mit Spiritus verdampfen und zerstäuben die Brenner das Petroleum, was zu einer gasähnlichen Verbrennung führt. Sascha hing jahrelang sehr an diesem Objekt und wechselte zur Verbesserung der Technik noch die Brenner aus. Bianca stand mit dem Gerät, welches bei nicht korrekter Bedienung und manchmal auch einfach so wild lodernde Flammen von sich gibt, absolut auf Kriegsfuß. Auch das Regulieren der Temperatur war schwierig. Man musste sich entscheiden: Feuer an und damit full power oder aber aus. Backen war damit zum Scheitern verurteilt. Das bedeutete im Ergebnis, dass das Kochen am Taylors fast ausschließlich Sascha oblag und Bianca stattdessen grundsätzlich den als Reserve mitgeführten Kleingaskocher, insbesondere in Kombination mit dem von ihr heißgeliebten Omnia, nutzte.
Nun ist die Prozedur des Vorheizens und Startens eines Petroleumherds auf der Ostsee oder am Ankerplatz eine machbare, in Anbetracht des Betriebs dieser Antiquität sogar originelle, Aufgabe. Auf dem Atlantik steht das Originelle jedoch nicht im Vordergrund sondern vielmehr Funktionalität. Und so zeigte sich, dass der Betrieb des – unbestritten schicken -Taylors auch bei Sascha zu einer nicht unerheblichen Anspannung und Unbehagen führte. Von Tag zu Tag musste Sascha daher seine über Jahre in Stein gemeißelte Überzeugung des Vorzugs des Petroleumkochers im Vergleich zu einem Gaskocher aufgeben und sich geschlagen geben. Und so überlegen wir, in der Karibik eine Gasinstallation nach europäischem Standard auf der Gepetho durchführen zu lassen. Dazu dürfte sich Martinique als Teil der EU anbieten. Sascha ist mit dieser Entscheidung sehr zufrieden: endlich ein neues Projekt!

So ergab es sich, dass wir unterwegs weit weniger aufwändig kochten als gewohnt und geplant und so wanderte doch die eine oder andere – in den Schapps zunächst tief verstaute, da nur als Notreserve angedachte -Tütensuppe bzw. der eine der andere Asia-Nudelsnack auf den Teller. Teller? Ähm… bei diesem Wellengang sieht das Essensgedeck nicht aus wie zu Hause, dass Messer, Gabel und Löffel feinsäuberlich auf dem Tisch platziert sind. Nein, gegessen wird jeweils und ausnahmslos alles aus einer Schale und zwar mit jeweils nur einem Besteckteil, nämlich entweder Löffel oder aber Gabel. Das sieht in etwa so aus: Wir sitzen, wenn die –viel länger als an Land dauernde Prozedur des Kochens erledigt ist, zu viert oben um den Cockpittisch herum. Jeder hält mit einer Hand die Schale und mit der anderen Hand das Besteck, wobei die „Besteckhand“ überdies bei allen vier die Aufgabe hat, gemeinsam mit den übrigen 3 Crewmitgliedern den auf dem Tisch stehenden Topf oder was auch immer, festzuhalten. Teamwork par exellence. Mit den Beinen klemmen wir uns insoweit so fest, dass wir gut verkeilt auf unserem Platz verweilen können. Wir sind uns einig, dass das Zubereiten, Kochen und Essen vermutlich mehr Kalorien verbraucht als wir zu uns nehmen, was uns ein zusätzliches Glücksgefühl bescherte.

Tatsächlich hatten wir von der ersten bis zur letzten Minute eine wirklich tolle Überfahrt. Wir haderten grundsätzlich nicht mit der Höhe der Wellen und auch nicht mit den Sidekicks. Einzig und allein als Bianca einmal von einer besonders starken Schiffsbewegung –sitzend!- aus dem Gleichgewicht gebracht und mit dem Kopf an die Wand der Koje geschleudert wurde und sich in diesem Augenblick sicher war, eine enorme Platzwunde davongetragen zu haben, kam diesbezüglich kurz Unmut auf. Glücklicherweise gab es nur eine ordentliche Beule und der ansonsten von Sascha zu bedienende Tacker für Platzwunden blieb ihr erspart. Das kurze Nachschlagen in unserem Standardwerk „Medizin auf See“ empfahl uns, bei Stößen an den Kopf und damit einer eventuell vorhandenen Gehirnerschütterung 2 – 3 Tage Bettruhe. Ha ha ha! Daran war bei unserem rolling home natürlich nicht zu denken!

Wir reduzierten unser tägliches Tun auf das Notwendigste. Neben der Zubereitung der Nahrung und des Essens selber machten wir täglich 2 Stunden Boatschool.

Ansonsten saßen wir stundenlang und betrachteten und genossen den Ozean und den Himmel in all deren diversen Farben und Ausgestaltungen. Wir hatten keinerlei Langeweile und empfanden alle vier die Überfahrt als wirklichen Hochgenuss. Es war so schön, so viel Zeit für und miteinander zu haben. Insbesondere die Nachtwachen boten uns Gelegenheiten für wunderbarste Konversationen mit den Jungs, die wir als echtes Geschenk empfinden.
Wenn es etwas zu erledigen gab, waren Marlon und Julius sofort, ungefragt, zur Stelle und haben unsere Crew damit in jeglicher Hinsicht bereichert.
Nach einer Woche auf See ging alles wie von selbst. Der Körper hatte sich auf die kurzen Schlafphasen und die Schiffsbewegungen eingestellt und die Tage plätscherten dahin wie die Wellen des Meeres.

Bereits ab dem zweiten Morgen waren übrigens alle Schiffe so weit von einander entfernt, dass wir nur noch gelegentlich das eine oder andere Schiff über AIS sahen. Aber das störte uns nicht.
Uns kam dort draußen auf dem Atlantik tatsächlich nur ein einziges Mal ein Schiff näher. Bianca sichtete das große Passagierschiff. Unser Navigationssystem gab an, dass der geringste Abstand bei nächster Näherung nur 0,1 sm betragen würde. Nach 10 min Beobachtung der Lage, das Schiff näherte sich uns mit 14 kn SOG entschieden Bianca und Marlon, das Schiff zu kontaktieren, um deren Absichten (einer vorzunehmenden Kursänderung) zu erfragen. Wir erreichten im zweiten Anlauf das Schiff per Funk und fragten höflich, ob er uns denn wahrgenommen habe. Schweigen in der Leitung. Dann: “Well. Wait.“ Wir schauten uns unsicher an. So furchtbar viele Schiffe waren dort draußen nicht, so dass wir davon ausgingen, dass es für den Kapitän ein Kinderspiel sein müsse, uns mit all der ihm zur Verfügung stehenden Technik und letztlich auch mit dem bloßen Auge ausfindig zu machen. Wir runzelten die Stirn. Dann meldete sich das Schiff wieder über Funk: “Ok, tell mir your boats name again, please!“ „GEPETHO!“, erwiderten wir prompt und in Anbetracht der zügigen Annäherung nun auch nicht mehr besonders gelassen. „Ok, I will change my course immidiately!“, kam endlich die Antwort und er änderte seinen Kurs tatsächlich unverzüglich um 15 (!) Grad. Er hatte uns tatsächlich nicht wahrgenommen. Erschreckend. Das ist der Grund, warum es auf unserem Schiff n i e m a l s und unter keinen Umständen in Betracht kommt, nicht 100 % Wache zu schieben. Man muss immer mit den Fehlern anderer rechnen, auch hier draußen auf dem Atlantik.

Wir fühlten uns weder einsam und allein dort draußen noch hatten wir das Bedürfnis, schnell anzukommen. Und so beließen wir es auch die gesamte Zeit über bei unserem Passatsegel, ohne auch nur einmal den Gennaker zum Einsatz zu bringen. Wenn wir dann auf dem AIS doch einmal ein anderes Schiff sichteten, dass es „wagte“, uns einfach zu überholen, dann verschwendeten wir schon mal den einen oder anderen Gedanken daran, unsere Geschwindigkeit mit dem Leichtwindsegel zu beschleunigen. Aber bei dem bloßen Gedanken blieb es dann auch. Wir sind nur eine kleine Crew und wollten unsere Überfahrt so einfach und vor allem sicher wie möglich gestalten. Damit wollten wir das „Herumgeturne“ auf dem Vordeck so gut es eben ging vermeiden und damit sind wir tatsächlich auch gut gefahren.

Am 27.11.18 entschieden wir dann, auch mal unser Angelglück zu probieren. Wir brachten die Angel achtern aus, gingen in Anbetracht der Mittagszeit und auch in Anbetracht der Geschwindigkeit von knapp 7 kn – draußen waren 5 bft und 3,5 m Welle- nicht davon aus, was zu fangen. Aber allein das Gefühl, so dazusitzen und so zu tun, als verstehe man etwas vom Angeln, bereitete uns Spaß. Wir hatten dann tatsächlich einen Biss und die Aufregung war schnell groß. Doch dann ließ der Zug an der Angel plötzlich nach und wir realisierten, dass es mit dem großen Fang wohl doch nichts würde. Das Ganze wiederholte sich ein zweites Mal. Und Sascha, der die Sauerei auf „seinem“ Achterdeck ohnehin nicht haben wollte, war sichtlich froh. Doch aller guten Dinge sind drei, sagt man. Und so gab es einen dritten Biss und dieses Mal ließ der Fisch nicht locker. Das große „P“ war uns kurz ins Gesicht geschrieben. Aber es half nichts und insbesondere war Eile geboten, um den Fisch nicht lange laufen zu lassen. Und so kurbelte Marlon und kurbelte und kurbelte…

…40 min lang…
…offensichtlich nicht ganz ohne Anstrengung…

… und dann sahen wir den Prachtburschen hinter unserem Heck:“Sch…. ist der groß!“ Dabei hatten wir extra nur einen kleinen Köder genommen….
Mit dem Gaff an Bord geholt verabreichten wir ihm ruckzuck einen ordentlichen Schluck Jameson, um ihn ruhig zu stellen. Die nächsten 2 Stunden waren Marlon und Bianca mit Filetieren, Portionieren, Verstauen im Kühlfach und dem Reinigen des – „Saschas“ ;)- Teakdecks beschäftigt. Und das alles bei 5 bft und 3,5 m Welle. Das anschließende Braten und Verspeisen des Fisches kostete dann endlich auch die letzten Kraftreserven, so dass Marlon und Bianca in den kommenden Freiwachen auch in einen tiefen tiefen Schlaf verfielen, trotz all der Wellen und Geräusche drum herum.
Dieser Catch of the day hat uns mehr als 2 Tage 2 Mahlzeiten pro Tag beschert, so dass sich Marlon und Bianca im Anschluss geschlagen gaben und die Angel nicht mehr auswarfen, um nicht noch einmal so ein Riesenvieh an Bord zu ziehen.
Und dann gab es doch diesen einen Tag, an dem der „Bootssegen“ etwas schiefer hing. Biancas Logbucheintrag vom 28.11.18 lautet wie folgt:
„Ich erwache inmitten meiner Freiwache aufgrund eines wütenden Aufschreis von Sascha. Grund ist, soviel ich verstehen kann, eine Auseinandersetzung mit Julius. OK, der Skipper scheint noch nicht zu Kräften gekommen zu sein. Schlafmangel macht dünnhäutig“. Und dann:“ Der Mahi Mahi hat nicht nur viel Arbeit gemacht sondern auch ziemlich viel Sauerei. Wir hätten ihn vielleicht doch nicht in der Küche filetieren und häuten sollen. Es riecht immer noch alles nach Fisch. Zudem ist der Fischsud aus einer der Tüten, die wohl ein Loch hatte, im Kühlschrank ausgelaufen. Ekelhaft. Meine bis eben brillante Laune schwindet sofort. Eigentlich wollte ich jetzt frühstücken. Aber ich ziehe es vor, zunächst einmal den gesamten Kühlschrank zu entleeren, den Kühlschrank samt Inhalt aus- bzw. abzuwaschen und dann alles wieder einzuräumen. Und das alles bei 4 bft. Ich knirsche mit den Zähnen und fluche leise, aber anhaltend, vor mich hin. Zum Glück ist fast alles verpackt. Zwei bereits geöffnete und mit Fischsud kontaminierte Käse gehen direkt über Bord, ansonsten sind glücklicherweise keine weiteren Schäden zu verzeichnen. Ich bin hungrig und sauer und gifte Sascha an, der mir eigentlich hilfreich zur Seite stehen wollte. Er hat nichts gemacht, war aber zum falschen Zeitpunkt an der falschen Stelle. Pech gehabt. Und ich stelle fest, dass Schlafmangel und Hunger auch für mich eine unheilvolle Allianz bilden. Nach der Kühlschrankaktion und einem ausgiebigen Frühstück ist im wahrsten Sinne des Wortes wieder alles „eitel Sonnenschein“. Ich lehne mich gerade genüsslich im Cockpit zurück, um die traumhaft schönen Wellen zu bestaunen, die in einem traumhaften durchsichtigen Türkis im Wellenkamm im Licht der Sonne brechen als ich einen erneuten Aufschrei höre:“ Sch! Wasser unter der Spüle!“ Eine solche Nachricht – mitten auf See- lässt jetzt erst einmal nichts Gutes erahnen, aber es stellt sich umgehend eine erste Entspannung ein, denn es ist Süßwasser. Unser Grabbag, eine wasserdichte Tonne, die für den Notfall mit Pässen, Taschenlampe, Medikamenten, etc. jederzeit erreichbar unter unserer Spüle positioniert war, hat offenbar bei der ganzen Schaukelei mit einem ordentlichen Schwung unseren Spülenanschluss abgerissen. Es ist sauberes Spülwasser und maximal ein 5l-Eimer voll. Zum Glück. Das Fischwasser von gestern wäre deutlich unangenehmer gewesen. Sascha reinigt den Spülenunterschrank sowie die Bilge und Marlon hilft ihm dabei tatkräftig. Den Käpt’n jetzt bloß nicht noch einmal verärgern… ;). Ansonsten verläuft der Tag jedoch reibungslos und der kurze Ärger am Vormittag ist schnell vergessen. Wir genießen die Sonnenstrahlen und die Weite des Meeres, freuen uns über die Schwärme der fliegenden Fische, die außergewöhnlich hübsch sind und – wie blaue Kolibris- beachtlich weit und wendig fliegen. Wir dösen abwechselnd und genießen die Entspannung. Herrlich“
Dass wir auch die Nächte besonders genossen haben, dokumentiert sogleich auch Biancas nächster Logbucheintrag vom 30.11.18, 01:30 Uhr UTC:
„Der nächtliche Sternenhimmel verzaubert mich immer wieder auf’s Neue. Die Nacht ist heute tiefschwarz und die Milchstraße mit Tausenden und Abertausenden von Sternen bildet über unserer Gepetho ein wahres Sternenzelt. Es funkelt und glitzert soweit das Auge reicht. Und immer, wenn man in Erwägung zieht, den Blick von diesem Wunderwerk abzuwenden, dann wirft der Himmel ganz keck eine Sternschnuppe herunter und zwingt mich zum Weiterstaunen und Schmunzeln, während ich weiter dem Wind und den Wellen lausche, die neben und an der Gepetho brechen. Unglaublich und unbeschreiblich schön. Ich wünschte, ich könnte die richtigen Worte finden, um all die dargebrachte Schönheit auch nur im Ansatz beschreiben zu können. Nachwache auf der Gepetho – das könnte ich hauptberuflich machen.“
Es ist bedauerlich, dass es uns einfach nicht gelingen will, diese Situationen in Bildern festzuhalten. Aber mit der uns zur Verfügung stehenden Technik, und gegebenenfalls auch mangels besserer Kenntnisse, ist uns kein einziges vernünftige Bild gelungen, so dass man als Leser an dieser Stelle sich mit der profanen Beschreibung zufrieden geben und entsprechende Fantasie walten lassen muss.
Und auch bei Sascha ist absolute Entspannung eingetreten. Am 30.11.18 schreibt er ins Logbuch: „.. wohl bislang der schönste Tag, was das Wohlfühlen angeht. Der anfängliche Stress ist abgefallen, die Welle hat nachgelassen, Sonne scheint, Wetter top…. Es läuft!“
Und wenngleich wir an Bord nicht den tiefen Schlaf finden, den wir gerne hätten, ist die Stimmung ausnehmend gut, wie Biancas Logbucheintrag vom 01.12.18 zeigt:
„Statt der angesagten 13 kn Wind für heute Nacht hatten wir im Schnitt 17 kn und in Böen bis 23 kn. Das hat uns ordentlich Speed beschert und meine Hundewache sehr kurzweilig gestaltet. In den Freiwachen bekomme ich wenig Schlaf. Die Geräuschkulisse – immerzu poltert etwas, schlägt von innen gegen die Schapps und die Wellen knallen an den Rumpf- sowie die starken Schiffsbewegungen aufgrund der 3m Welle, die einen in der Koje wie einen Gummiball hin-und herhüpfen lassen, erschweren das Finden in den Schlaf. Aber es geht mir dennoch prima. Und der Ausgleich dafür, dass ich die Hundewache schiebe ist, dass ich dazu dann auch die Morgenwache habe und damit den Sonnenaufgang achteraus bewundern kann. Jeden Tag wieder ein Hochgenuss. Traumhaft.“
Das Leben an Bord ist nicht langweilig.
Die Nachtwache vom 30.11.18 nutzt Bianca, um die Crew mit einem Adventskalender zu überraschen, der mit Leuchtschrift (vom Tauchequipment) beschriftet ist, so dass die 24 kleinen roten Socken im Dunkeln leuchtend fröhlich vor sich hinwippen und den Nachtwachepartnern somit jedes Mal unweigerlich ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Der Ausblick auf das Meer ist so unendlich vielfältig und bringt so viel innere Ruhe mit sich. Mit dieser Ruhe war es am 02.12.18 unverzüglich vorbei als eine Schule von 20 Delfinen die Gepetho aufgesucht hat. Julius filmt und wir freuen uns wie kleine Kinder über die dargebotene Tiershow. Am besten gefällt uns ein kleiner, sicherlich noch sehr junger, Delfin, der immer wieder aus der Reihe tanzt und die verrücktesten Sprünge absolviert.
Kurz danach holt uns von achtern auch der erste Squall ein, der neben Wind nach der Schwachwindphase mit 9 kn auch endlich wieder mehr Speed und überdies, natürlich warme, Regentropfen mit sich bringt. Wir stehen alle im Cockpit und genießen den Augenblick.
Die Nachtwachen sind wirklich ein Hochgenuss und so stört uns der Schlafentzug nicht mehr wirklich. Und ab und an ist es richtig lustig. Biancas Logbucheintrag vom 04.12.18, 03:22 Uhr UTC lautet:
„Sascha war tagsüber so müde, dass ich ihm heute Nacht eine extra Portion Schlaf gönnen werde. Ich bin putzmunter und genieße im Cockpit sitzend den warmen Wind. Ich habe seinen Wecker leise von 03:20 Uhr auf 04:20 Uhr verstellt. Das wird ihm gut tun. Wieder im Cockpit angekommen, bekomme ich jedoch einen Schrecken. Ich stehe gerade mit meiner Lifeline eingepickt hinter dem Steuerrad, um (wie alle 20 min) großen Ausguck zu halten, als gerade einmal 1 m neben mir ein fliegender Fisch an Deck landet. Er quiekt *vor Panik und zappelt wie verrückt. Noch ehe ich ihn packen kann, ist er weg. Doch bloß wohin? Mein Blick fällt auf die geöffnete Luke über unserer Koje. „Der kleine Stinker wird ja wohl nicht…?“, und noch ehe ich meine Gedanken vollenden kann, höre ich Sascha von unten brüllen. „Oh, nein,“ blitzt mir der Gedanke auf und ich versuche, so schnell es geht, zu Sascha zur Achterkoje zu gelangen. In 3 sec. ist die Sachlage klar: der Fisch ist – glücklicherweise- nicht durch die Luke gefallen. Sascha hatte nur den Aufprall und das Zappeln gehört. Sascha, der von dem Getöse glücklicherweise nur kurz wach geworden ist, gibt mir in seiner Funktion als Käpt’n nur die kurze und knappe Anweisung:“ Finde das Mistvieh!“. Ich nicke brav, das Allerbeste hoffend, und schon ist der Käpt’n wieder eingeschlafen und ich mit meiner Aufgabe alleine. Ich begebe mich also so schnell wie möglich- wobei das eben doch sehr relativ ist- wieder ins Cockpit, kann den kleinen blauen Stinker (diese hübschen kleinen Kerle stinken wirklich ekelhaft – und das schon zu Lebzeiten!) nicht finden. Ich suche alles ab, finde aber nur ein paar Schuppen von ihm und den erbärmlichen Gestank und Schleim, den er auf meinem Teakholz hinterlassen hat. Vermutlich hat es der vitale Kerl zurück ins Meer geschafft – hoffe ich zumindest. Hinten am Achterdeck gucke ich nicht. Marlon, mein heutiger Nachwachepartner, schläft tief und fest im Cockpit und es gelingt mir einfach nicht, ihn zu wecken. Es ist wirklich verblüffend, wie hoch und weit diese kleinen blauen Kerle fliegen können und wie ausgesprochen hübsch sie sind. Aber alles Gute ist eben doch nie zusammen und so ist ihr Geruch wirklich mehr als nur unangenehm. Ich habe mein Bestes gegeben und hoffe, den kleinen Kerl am kommenden Morgen nicht doch irgendwo im Tageslicht auf dem Achterdeck entdecken zu müssen.
*Hat der wirklich gequiekt oder habe ich mir das nur eingebildet? Komisch. Zunächst war ich mir sicher. Aber je mehr ich darüber nachdenke, um so eher glaube ich, dass das Geräusch von unserer Windfahnensteuerung kam…“
Die Jungs, die jede der Nachwachen begleiten, dürfen für gewöhnlich im Cockpit schlafen. Bei Bedarf wecken wir sie dann, was üblicherweise – bis auf bei der Aktion mit dem fliegenden Fisch- auch gelingt. Sie liegen dann im Cockpit, eingepickt mit dem Lifebelt und in der Regel durch unsere Füße nochmals gegen das Fallen bei höheren Wellen gesichert. Es ist beeindruckend zu sehen, wie sie dort friedlich Stunde um Stunde vor sich hinschlummern und ihren Körper damit voller Vertrauen den Bewegungen der Gepetho überlassen, die sie bisweilen doch recht unsanft, man möchte fast sagen ungestüm, geweckt werden.

Die meisten Nachtwachen verlaufen entspannt, auch wenn uns ab dem 04.12.18 vermehrt Squalls aus einer überquerenden Kaltfront „beglücken“. So schreibt Sascha am 06.12.18:
„Heute hatten die Jungs keine Schule. Es war squallfrei bei 5-6 bft. Eine der schönsten Nachtwachen bisher. Sitze mit Marlon mit Lifebelt im Cockpit. Neumond  stockfinster, die Sterne scheinen durch die Squalls, die Gepetho jagt gerefft mit 7 kn SOG über die 3m hohen Wellen. Ein herrliches Gefühl! So könnte es immer weitergehen!“
Der Auszug aus Biancas Logbucheintrag in der darauffolgenden Wache korrespondiert damit:
„Oh, wie gemütlich! Im Cockpit stehen Kaffee und Kinderschokolade für mich bereit und aus der Boombox, die ich zum Geburtstag bekommen habe, klingt Musik. Die eklige Welle, die die Gepetho immer wieder von stb nach bb und zurück geschubst hat, ist vorbei und Juli schlummert friedlich mir gegenüber im Cockpit angeschnallt vor sich hin. Der Wind ist von 6 bft auf 5 bft gesunken, die Gepetho macht so im 2. Reff noch immer knapp 6 kn über Grund. Gut so. Wenn der Wind weiter abnehmen sollte und der Himmel weiterhin squallfrei aussehen sollte, können wir ausreffen. Jetzt aber gönne ich Sascha erste einmal seinen wohlverdienten Schlaf und genieße meine Wache. Die Luft ist warm, die Gepetho schiebt sich, von kleinen Schauklern abgesehen, wie auf einer Schiene dahin. Stunde um Stunde. Kein Schlagen der Segel, wie sehr ich das doch liebe. Und weit und breit kein anderes Schiff zu sehen, dafür aber Sterne soweit das Auge reicht. Und in den sich um das Schiff brechenden Wellen glitzern und funkeln die Leuchtalgen. Dieser Anblick ist ein Hochgenuss. ….“
Der Eintrag endet wie folgt:“ Es ist Nikolaus und offensichtlich hat der alte Mann davon Wind bekommen, dass Julius Allergien alle verschwunden sind und Julis‘ Tauchschuhe ordentlich mit Kinderschokolade gefüllt.“

Auch kleinere Zwischenfälle vermögen es nicht zu ändern, dass die Jungs nach kurzer Unterbrechung wieder in einen tiefen Schlaf zurückfinden. Der Logbucheintrag von Bianca vom 07.12.18, 02:10 Uhr UTC zeugt von einer besonderen Begegnung:
„Juli schläft friedlich bei 5 bft (in Böen bis 24 kn) trotz der recht enormen Schiffsbewegungen als plötzlich ein fliegender Fisch von achtern direkt zu uns ins Cockpit fliegt und direkt auf dem Teakdeck über Julis Kopf kurz zum Liegen kommt. Der Fisch zappelt – wer kann es ihm verdenken – um sein Leben. Ich möchte ihn, trotz allem Ekel, diesen stinkenden, schleimigen und zappelnden Gesellen, anzufassen, packen und ins kühle Nass zurückbefördern. Ich schaue mich schnell nach einem Stück Küchenkrepp um, erfolglos. Nichts zu finden auf die Schnelle. Also will ich kurzerhand zupacken. Doch noch ehe ich meinen Entschluss in die Tat umsetzen kann, rutscht der kleine glipschige Flattermann aufgrund seines wilden Gezappels eine Etage tiefer: direkt unter Julis Kissen, der ungeachtet dieser Tatsache gemütlich weiterschläft. Es riecht unangenehm und im Schein des Monitors sehe ich viele blaue große Schuppen und eine Schleimspur auf dem Teakdeck. Igitt. Ich reiße Julius unsanft aus dem Schlaf: “Da ist ein fliegender Fisch unter deinem Kopf!“ Julius setzt sich schlaftrunken und ungläubig auf, während ich das Kissen entferne und der stinkenden Zappelphilipp zum Vorschein kommt. Der blaue Stinker hat nun auch die Sitzbank unter dem Kissen mit stinkendem Schleim und blauen Schuppen dekoriert. Und mein Ekel schwindet gegenüber der Entschlossenheit, die Situation zu beenden und den Gast sofort über Bord zu befördern. Ich packe ihn und werfe ihn, halb kopfschüttelnd, halb lächelnd ob der zum Greifen nahen Rettung, über Bord. Nun nur noch schnell 30 min das Cockpit mit Frischwasser und Spülmittel reinigen und dann kann Juli sich wieder hinlegen. Das tut er auch und schläft umgehend wieder ein, was mich nicht ganz unbeeindruckt lässt. Bereits 2 min, nachdem er sich hingelegt hat, schläft er auch schon wieder, nicht jedoch ohne sich vorher herzlich bei mir für die „heldenhafte Rettungsaktion“ zu bedanken. Das soll mir mal noch einer behaupten, Nachtwachen seien langweilig.“
Aufgrund der vielen Schlafunterbrechungen schlafen wir auch tagsüber hin und wieder. Wir haben unseren Anspruch aufgegeben, auf der Atlantiküberquerung die letzten Reiseberichte über Porto Santo, Madeira, Lanzarote und Teneriffa zu schreiben. Stattdessen halten wir lediglich an unserem Ziel, 2 Stunden am Tag Boatschool zu machen, fest. Das klappt super und mehr wollen wir gar nicht. Wenn wir dann mal einen besonders produktiven Tag haben, dann verdient das einen Eintrag ins Logbuch, wie z.B. am 08.12.18:
„Heute hatten wir trotz der 4 – 5 bft einen besonders produktiven Tag. Bad und Küche sind ausgiebig geputzt, Staub gewischt, Boden und Cockpit ebenfalls gründlich gereinigt und Schule haben die Jungs auch noch gemacht. Hammer. Wir sind mehr als zufrieden. Zu guter Letzt haben wir alle noch schön draußen im Cockpit geduscht: „Vorgewaschen mit Salzwasser aus der Pütz und extra Salzwassershampoo. Bei der Benutzung des Salzwassershampoos fühlen sich meine Haare im nassen Zustand an wie die meiner Barbies früher: es ist ein einziges Knäuel, das sich wie Plastik anfühlt und mich sogleich über eine hübsche Kurzhaarfrisur nachdenken lässt. Aber nach dem Trocknen lassen sich die Haare nicht nur kämmen, sie sind tatsächlich wunderbar weich und riechen gut nach Kräutern. Glück gehabt. Besser als umgekehrt. Ich bin happy.“
Und nach diversen Tagen auf See stellt sich dann sogar bei Bianca, die die zügige Fahrt bei 6-7 kn bevorzugt, zwangsläufig auch die Genügsamkeit mit weniger Wind ein. Im Logbuch vermerkt sie am 09.12.18:
„Es ist 07:00 Uhr UTC, gefühlt 3:30 Uhr, was mit der local time übrigens ganz gut korrespondiert). Statt der 16 kn Wind, die angesagt sind, weht nur ein laues Lüftchen mit 10 kn. Das ist zu wenig, um Gepetho vor dem Wind richtig in Fahrt zu bringen. Das nervt mich irgendwie. Ich bin zu ungeduldig. Wenigstens ist die Welle moderat, so dass sich die Schiffsbewegungen in Grenzen halten. Dank zweier Squalls nimmt die Gepetho zwischendurch wenigstens mal ein bisschen mehr Wind auf. Julius hilft mir beide Male, Kissen, Decken, Handys, Iridium Go und Co in Sicherheit zu bringen und im Anschluss alles wieder an Deck zu befördern. Der nächste Squall ist im Anmarsch. Groß und dunkel baut er sich hinter der Gepetho auf und ich beäuge das Geschehen aufmerksam. Dann wechselt die Windgeschwindigkeit von 10 kn auf 3 kn, um dann binnen weiterer 2 min auf 22 kn im Mittel anzusteigen. Durchschnittlich 22 kn von achtern sind für die mit Passatsegel geriggte Gepetho kein Problem. Aber die Böen von plötzlich 25 – 27 kn häufen sich. Ein alter Spruch unter Seglern ist, dass man in dem Zeitpunkt reffen sollte, in dem man das erste Mal daran denkt. Und so fällt auch bei uns an Bord die Entscheidung, ins zweite Reff zu gehen. Bis ich Sascha, leider recht unsanft, aus dem Schlaf gerissen habe, ist das Schlimmste schon durch und der Squall ist nur noch in seinen letzten Zügen. Wir reffen dennoch. Safety first. Danach haben wir teilweise wieder nur 8-10 kn Wind. Am liebsten würde ich ausreffen, lasse es aber, Sascha darum zu bitten. Beim Wachwechsel bin ich mit der „von mir gemachten Strecke“ unzufrieden. Aber Sascha zuckt gleichgültig mit den Achseln und meint:“4,5 kn SOG sind 4,5 kn SOG“. Daran gibt es nichts zu rütteln und befinde: „Recht hat er.“ Ich gehe schlafen und falle in einen tiefen Schlaf und gehe sodann voller Überzeugung, ebenso mit 4,5 kn SOG zufrieden zu sein, in meine nächste Nachtwache. 2 Tassen Kaffee und 2 Kinderriegel versüßen mir diesen Perspektivenwechsel und ich bin voll und ganz mit meiner kleinen Welt zufrieden.“
Der 10.12.18 brachte durchgängig 5 -6 bft. Wir hatten ein sicheres Gefühl auf der Gepetho und fühlten uns geborgen wie in Abrahams Schoß. Kein Knarren oder Knarzen, aber 3 m Kreuzsee, die zusammen mit den 5 – 6 bft die Gepetho regelmäßig ins Surfen brachten. Und so banden wir das Passatsegel rechtzeitig ins erste Reff, um einfach das Rigg zu schonen. Das gilt in Zukunft umso mehr als dass wir heute Mittag über die ARC-Veranstalter die E-Mail erhielten, dass die SY Garuda in der vergangenen Nacht Mastbruch erlitten und nun noch 520 nm vor sich habe. Sowas braucht kein Mensch. Wir auch nicht. Daher nahmen wir uns vor, noch mehr Vorsicht walten zu lassen.“
Wie sehr die Jungs die Ruhe, Abgeschiedenheit und Einsamkeit dort draußen genossen, dokumentiert der Logbucheintrag vom 12.12.18:
„Juli, mein Nachtwachepartner (a.k.a. Nachtwächter 😉 ) erwacht kurz, räkelt sich gemütlich und sagt, während er den Blick schweifen lässt:“ Oh man, was werde ich diese Ruhe und Entspannung vermissen!“
Am 12.12.18, das Ende der Überfahrt nach nur 18 statt der 21-23 erwarteten Tage, geht merklich dem entgegen, vermerkt Bianca im Logbuch:
„Wie? Schon vorbei? Es fühlt sich ein wenig an wie in Kindertagen auf dem Rummel. Eben sitzt du noch im Karussel und genießt die Fliehkraft, das Kribbeln im Bauch und den Fahrtwind um die Nase. Und dann plötzlich stoppt das Fahrgeschäft. Du kramst in allen Taschen, um letztlich jedoch enttäuscht festzustellen:“ Keine weitere Fahrkarte mehr. Das war‘s. Ende. Aussteigen!“ Schade. Wirklich schade, dass es vorbei ist. Es fühlte sich gar nicht wie 18 Tage an. All die „Das-machen-wir-bei-Langeweile-Dinge“ haben wir noch nicht gemacht: Reiseberichte und Briefe und Postkarten an all die lieben Menschen zu Hause schreiben, Gitarre spielen, zeichnen,… . Wir hätten uns noch mindestens 2 Wochen gut beschäftigen können und unser Proviant hätte sicherlich ebenso lange gehalten. Schön war es. Und entspannend. Und lehrreich. Ein Kollege hat mal zu uns gesagt:“ Nein, das könnte ich nicht. So lange auf See. Alleine. Da würde ich verrückt werden. Ich kann nicht gut mit mir alleine sein.“ Das war bei uns wirklich komplett konträr. Wir haben die Erkenntnis genossen, dass wir uns selbst genug sind. Wir brauchten keine Filme oder ähnliches. Auch Musik gab es nur gelegentlich, obgleich in ausreichendem Maß nebst ausreichend Energie vorhanden. Viel zu besonders war die Geräuschkulisse um uns herum als dass wir sie hätten übertönen wollen. Wir haben erfahren, dass wir uns ohne Einschränkung aufeinander verlassen können und haben die kleinen Geschenke der „Extraportion Schlaf“, die wir uns gegenseitig gegeben haben, wann immer es ging, sehr genossen. Die Jungs haben keine Nachtwache versäumt und haben geholfen, wo immer sie konnten. Die Rauschefahrten haben großen Spaß bereitet und auch das „Kaffeesegeln“ bei 14 kn Wind von achtern bei 6 kn SOG waren toll. Nicht zu vergessen, die „Freiluftduschen“ mit Salzwasser oder im Squall. Und bei den Schwachwindphasen erhielten wir – ok, insbesondere ich – die Gelegenheit, mich in Geduld zu üben. Die Mischung war perfekt und die Überfahrt – ein Hoch auf unseren Autopiloten P2, der uns nicht ein einziges Mal auf der Überfahrt im Stich gelassen hat – ein fantastisches Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Das war ein schönes Stück Reise zu sich selbst“.

Bert und Marlene Frisch haben es „ihre große blaue Zeit“ genannt. Das ist wirklich sehr passend und eignet sich auch für uns als Resümee. Wir hatten eine großartige und kurzweilige Überfahrt, der es an nichts fehlte: Fisch gefangen, Delfine gesehen, Sternschnuppennächte, Squalls, Starkwindphasen mit Rauschefahrt und Kaffeesegeln.

Und dann hatten wir die letzten 150 sm dann auch noch einen Gast zu beherbergen: Sascha und Marlon sitzen entspannt im Cockpit bei der Nachtwache. Es ist ca. 3.30 Uhr. Sascha s Blicke fallen auf einen hellen Fleck hinter dem Cockpitfenster an der Reling. Mit der altersbedingten Blindheit geschlagen geht er jedoch davon aus, dass es sich um ein aufgehängtes Spültuch an der Reling handelt. Nicht einmal 20 Minuten später streifen Marlons Blicke den im Rücken wackelnden „Gegenstand“ an der Reling: „ Was ist das denn???“. Sascha antwortet spontan: “Na, ein Lappen. Hat Mama wohl aufgehängt“. Marlon zweifelt und greift hinter der Cockpitpersenning in Richtung des vermeintlichen Lappens: „ ÄÄÄHHHH!!!!! – Federn, das sind Federn!!!“
Die Kopflampe bringt Licht ins Dunkel. Tatsächlich. Federn. Auf der Reling sitzt ein völlig erschöpfter und in sich zusammengesunkener weißer Egret, ein Silberreiher.

Wir gingen davon aus, dass er sich ein wenig ausruht und dann insbesondere aufgrund der doch unruhigen Bootsbewegungen bald wieder die Gepetho verlassen würde. Dem war aber nicht so! Auch am Ende der Wache saß er noch dort und so wurde Bianca über unseren „Blinden Passagier“ informiert. Bianca war erwartungsgemäß völlig aus dem Häuschen: Bewegungen im Cockpit waren ab sofort nur noch im Zeitlupentempo erlaubt, was in Anbetracht der 5-6 bft kein leichtes Unterfangen war; auch Gespräche waren nur im Flüsterton zulässig. Unser Gast sollte sich schließlich ausruhen und genesen, denn der kleine Bruchpilot machte anfangs einen wahrhaft zerstörten Eindruck. Der Reiher genoss den Aufenthalt auf der Gepetho zusehends. Am nächsten Vormittag bewegte sich unser Gast zwar; aber nur auf der Gepetho. Er wurde von Stunde zu Stunde vitaler. Bald schon ging er nach vorn an den Bug, dann wieder zurück zum Heck. Mal saß er auf der Seitenreling oder am Heckkorb, dann doch am liebsten direkt auf dem Deck, ganz nahe bei uns.
Schlussendlich hatte er sich so sehr an unseren Anblick gewöhnt, dass er durch eines der Seitenfenster guckte, wenn es einer von uns wagte, unter Deck zu gehen. Dann klopfte er mit dem Schnabel ans Fenster als wolle er uns zurückrufen. Er erschien uns aber immer noch etwas schwach, so dass Bianca, nachdem sie über Stunden mit ihm kommuniziert und so sein Vertrauen gewonnen hatte, ihn mit Wasser und Thunfisch versorgte. Unser Gast nahm dieses Angebot dankbar an und wurde wieder zunehmend mobiler.

Das Verlassen des Bootes kam ihm aber weniger (und immer weniger) in den Sinn, so dass er auch den ganzen Tag an Bord blieb.

Als ein größerer Squall aufzog und wir uns nach drinnen bzw. unter das Cockpit verzogen, verfolgte er uns mit großen Augen als wolle er fragen: “Ey, Familie! Wo wollt ihr denn ohne mich hin? Da ist doch noch etwas Platz für mich! Es sieht dahinten ungemütlich aus!“. Wir näherten uns mehr und mehr St. Lucia und die Dunkelheit brach wieder herein. Unser Gast blieb uns treu!
Erst, nachdem wir in St. Lucia die Ziellinie überquert hatten und die Leinen und Fender klarieren mussten, konnte Marlon unseren Gast verscheuchen. Er verließ uns recht unwillig. Es stellte sich aber heraus, dass er auf St. Lucia in guter Gesellschaft seiner Artgenossen war, denn hier wimmelt es nur so von den kleinen hübschen weißgefiederten Kerlen.
Ein wenig enttäuscht, wenn man das überhaupt so nennen kann, waren wir, weil wir unterwegs lediglich ein einziges Mal einen Wal gesichtet haben, der dafür aber direkt neben dem Boot abtauchte in nur 1,50 m Entfernung. Aber auch diesbezüglich können wir letztlich nicht klagen. Denn 2 sm vor Erreichen des Hafens in der Rodney Bay von Saint Lucia, wir waren gerade hin-und hergerissen zwischen dem Gefühl des Bedauerns, dass es nun schon vorbei sein sollte und der Sorge um den nächsten anständigen Squall, der sich hinter uns ankündigte, tauchte plötzlich eine Gruppe von 5 kleinen Schnabelwalen oder aber großen Tümmlern direkt um die Gepetho herum auf. Wir waren einfach nur überwältigt in Anbetracht des Augenblicks.

Video
Um 19:12 überquerte die Gepetho dann nach 18 Tagen, 10 h 12 m 11 s die Ziellinie. Es war schon dunkel und die Ziellinie für uns nicht ohne Weiteres erkennbar. Wir sind Richtung Hafen gefahren und haben uns gefragt, ob wir denn nun überhaupt die Ziellinie überquert hätten als über Kanal 74 aus dem VHF ertönte: „Welcome in Saint Lucia, Gepetho! Congratulations!“
Im Hafen wurden wir dann herzlich von der SY Mamosa empfangen, die dafür gesorgt hatte, dass wir den Liegeplatz neben ihnen erhalten. Es war ein freudiges, nahezu familiäres und sehr inniges Wiedersehen. Sodann wurden wir mit dem ortsüblichen Getränk, dem Rumpunsch, versorgt und wenig später nahmen uns auch unsere lieben Freunde Thomas und Michaela und Tanja in den Arm, die mit der SY Charisma bereits 1 ½ Tage zuvor St. Lucia erreichten.
Tja. Und nun sind wir tatsächlich da. In der Karibik. Auf eigenem Kiel. Und wir müssen uns ständig kneifen, um zu begreifen, wie viel Glück wir haben, das alles –gemeinsam mit unseren Söhnen- erleben zu dürfen. 2 ganze Tage dauerte es, zu realisieren.
Das alles wiegt mehr als alles Materielle. Und so wird dieses Jahr unter unserem –imaginären- Weihnachtsbaum, auf besonderen Wunsch von Marlon und Julius hin, auch kein materielles Geschenk liegen. Denn keines könnte auch nur im Ansatz mit dem mithalten, was wir uns bereits geschenkt haben: Zeit für einander.